Hunde mit Gepäck - Kann man Hunden Selbstsicherheit beibringen?

Heutzutage werden die wenigsten potentiellen Hundekäufer über das zu erwartende Wesen der Hunde aufgeklärt. Daher wissen viele Halter nicht, auf was sie sich einlassen und kommen oft mit der Herausforderung nicht zurecht. Infolgedessen sind Tierheime, genauso wie Tierschutzvereine und Gnadenhöfe in ganz Deutschland überfüllt. 2017 waren mehr als 500 Tierheime dem deutschen Tierschutzbund angeschlossen. Die genaue Zahl der Tierheime in Deutschland ist unbekannt. Hunde werden aus den verschiedensten Gründen ins Tierheim gebracht. Oft haben Ängste, die sich in den verschiedensten Situationen durch unterschiedlichste Verhaltensweisen äußern, damit zutun. Die Halter wissen sich nicht mehr anders zu helfen und geben die Tiere ab.
Kommen die Hunde jetzt in ihre neue Familie, haben sich Ängste meist verfestigt, die es zu beheben gilt.


Die vier „F“ des Angstverhaltens

Bei ängstlichen Hunden spricht man von vier möglichen Verhaltensweisen:

  • Flight = Flucht
  • Fight = Kampf
  • Freeze = Erstarren
  • Fiddle about = Albernheit
In erster Linie geht es einem ängstlichen Hund darum, die Distanz zum angstauslösenden Reiz zu vergrößern, was durch diese vier Verhaltensweisen erreicht werden kann. Welche dieser Verhaltensweisen der Hund zeigt, hängt vom Hund und vom auslösenden Reiz ab. Auch die Intensität des Reizes und die damit gemachten Erfahrungen sind entscheidend.

Die Flucht ist eine am häufigsten gezeigte Verhaltensform bei Angst. Dabei muss der Hund nicht direkt in Panik verfallen. Oft hebt der Hund zunächst den Kopf und orientiert sich, um den Reiz richtig einordnen zu können. Je nach Intensität des Reizes kann Fluchtverhalten von ausweichen bis hin zu panischem weglaufen ausgeprägt sein.

Angst kann bei Hunden vieles auslösen. Auch aggressives Verhalten beziehungsweise defensive Aggression sind möglich. Oft wird bei diesen Hunden knurren, ohne für den Mensch ersichtlichen Grund gezeigt. Die Körpersprache des Hundes zeigt ein Flucht- und Rückzugsverhalten, das Körpergewicht wird auf die Hinterläufe verlagert, damit ein fliehen schnell möglich ist. Große Pupillen und angelegte Ohren sind hier typisch, oft werden auch die Zähne gezeigt.

Eine andere Verhaltensform wäre ein Meideverhalten. Der Hund erstarrt und nähert sich dem angstauslösenden Reiz nicht mehr. Dabei hat der Hund einen sehr angespannten Körper, er erstarrt regelrecht. Diese Verhaltensweise liegt in den Genen der Hunde, da sie so früher gehofft haben, vom Wolf übersehen zu werden. Der Hund ist in dieser Situation nicht in der Lage Geräusche (auch die menschliche Stimme) wahrzunehmen oder gar zu verarbeiten. Auch die Futteraufnahme wäre nicht möglich. Falls der Hund sich im Freilauf befindet, sollte dieser in einer solchen Situation angeleint werden. Die Leine kann dem Hund Sicherheit geben. Der Mensch sollte hier agieren und den angstauslösenden Reiz entfernen, zum Beispiel durch bitten, langsam wegzugehen, falls es sich um einen Menschen handelt oder einen Halter bitten seinen Hund anzuleinen, falls dieser diese Angstreaktion beim eigenen Hund auslöst.

„To fiddle about“ kommt aus dem Englischen und wird übersetzt mit „herumkaspern, herumspielen, herumalbern“. Dieses Verhalten wird am häufigsten fehlgedeutet. Unsicherheit wird auch von Menschen oft mit „lustigen Sprüchen“ überspielt, sodass keiner die eigene Unsicherheit mitbekommt. Dieses Verhalten zeigen Hunde oft beim vermeintlichen Spiel mit Artgenossen. Jedoch unterscheidet sich dieses Verhalten vom echten Spiel dadurch, dass sich der ängstliche Hund kaum auf das Spiel einlassen kann. Die Umgebung wird in Spielpausen ständig beobachtet und somit kann ein entspanntes Spiel nicht statt finden. Auch in Bezug auf den Menschen kann dieses Verhalten gezeigt werden. Dabei zeigt der Hund meist Übersprungshandlungen wie beispielsweise anspringen.


Formen des Lernens

Beim Vorgang der klassischen Konditionierung wird ein ursprünglich bedeutungsloser Reiz, der wiederholt mit einem „biologisch bedeutsamen“ Zusammenhang auftritt, schließlich von dem Tier mit der gleichen Bedeutung belegt werden (vgl. Gansloser (2020), S.124). Hierbei kann ein völlig unbeteiligter Reiz ebenfalls konditioniert werden. Der Speichelfluss des Hundes wird beim Geruch des Futters angeregt. Erfolgt dabei nun mehrfach ein gewisses Geräusch, wird in Zukunft durch das Geräusch bereits der Speichelfluss des Hundes angeregt.

Die operante Konditionierung ist, dass eine Handlung, die vom Tier ausgeführt wird, zu einer Belohnung führt (vgl. Gansloser (2020), S.125). Eine sehr bekannte operante Konditionierungsmethode ist das Clickertraining. Dies ist auch bei Angsthunden sehr hilfreich, da der Mensch seine Emotionen nicht auf den Hund überträgt. Durch diese Lernform kann völlig neues Verhalten durch eine positive Verstärkung geformt werden.

Das Lernen durch Nachahmung (Lernen am Modell) ist am häufigsten in der Mehrhundehaltung zu beobachten. Natürliche Verhaltensweisen (z.B. buddeln, bellen, hochspringen) werden abgeschaut und nachgemacht.

Die Desensibilisierung wird erreicht, indem man den Hund an einen bestimmten Reiz langsam heranführt und schrittweise steigert und somit den Hund an diesen Reiz gewöhnt. Es eignet sich besonders bei Angsthunden, da bei der Desensibilisierung in kleinen Schritten gearbeitet wird. Der angstauslösende Reiz kann neu positiv verknüpft werden.

Wie werden Angsthunde also selbstsicherer? Geht das überhaupt? Die Antwort lautet: Ja, das ist möglich. Es ist mit sehr viel Feingefühl, Geduld und Liebe verbunden. Wenn der Mensch seinen Hund lesen lernt, versteht, was Angst ist, wie sie entsteht und dem Hund ein treuer Begleiter und Helfer auch in schweren Situationen ist, kann aus dem Angsthund ein entspannter Begleiter werden. Die vier „F“ des Angstverhaltens zeigen verschiedene Verhaltensweisen, die die Hunde in Situationen zeigen, die ihnen Angst machen. Durch Signale und Spiele kann man das Selbstbewusstsein des Hundes enorm steigern und ihm, auf eine liebevolle Art und Weise seinen Platz im Rudel zeigen. Grenzen helfen, dass sich der Hund entspannen kann und nicht ständig schauen muss, wo sich sein Halter gerade aufhält. Durch bestimmte Lernformen kann gerade ängstlichen Hunden neues Verhalten beigebracht/geformt und angstauslösende Reize langsam neu verknüpft werden. Jedoch kann in einer extremen Stressituation, nach nicht genutzter Prägungs- und Sozialisierungsphase nicht auf das im Anschluss dieser Phasen gelernte, zurückgegriffen werden. Es ist möglich den Hund so zu stabilisieren, dass diese Reizsituationen deutlich vermindert werden, man durch die Anzeichen des Hundes lernt, diesen aus dem Weg zu gehen, sodass Extremsituationen selten bis gar nicht mehr vorkommen.

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